Zeitzeugengespräch mit der Überlebenden Helga Melmed

Am Abend des 22.09.2021 haben fünf Schülerinnen und Schüler aus dem 11. Jahrgang der STS Meiendorf an einem Generationengespräch teilgenommen. Die Zeitzeugin und Überlebende Helga Melmed (geboren 1927 in Berlin) berichtete aus dem zweiten Weltkrieg und von ihrer schweren Vergangenheit. Helga Melmed wurde von einer Moderatorin auf Englisch interviewt. Sie spricht heute nur Englisch.

Ich denke, jeder hat schon Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg gelesen oder gehört, aber so eine Geschichte von einer Frau zu hören, die alles miterlebt hat, war berührend und spannend. Als sie begann, über ihre Erlebnisse und Erfahrungen zu erzählen, wurde es still im Raum. Jeder wollte ihrer Geschichte folgen. Man hat den Schmerz in ihren Augen gesehen. Es war eine sehr vertraute und mitfühlendeVeranstaltung für uns alle.

Sie erzählte uns, dass sie, als sie in die Schule gegangen ist, von den Lehrern beleidigt und als dreckig bezeichnet wurde, weil sie jüdischer Abstammung ist. Helga wechselte daher auf eine Privatschule, die ihr gut gefallen hat. Nach einiger Zeit war es dann aber nicht mehr erlaubt, als Jude zur Schule zu gehen – dies war eine von vielen Einschränkungen und Demütigung, die aus den Novemberpogromen von 1938 resultierte. Eskamen immer mehr Verbote hinzu. Die Eltern von Helga erklärten ihr, dass sie trotz der Verstoßung aus der Gesellschaft, Stolz auf ihre jüdische Abstammung sein soll, denn diese sei ihre Identität.

Helga und ihre Eltern saßen im ersten Transport und wurden in ein Ghetto umgesiedelt. Dort lebten hauptsächlich Polen. Sie waren nicht erfreut über die Ankunft der Deutschen. Die Eltern mussten hart in der Fabrik arbeiten. Der Vater wurde kurze Zeit später bei der Arbeit erschossen. Das verkraftete die Mutter nicht. Sie versuchte aber weiterhin Helgas Gesundheit zu schützen, indem sie ihr Essen oft der Tochter gab.

An Helgas vierzehnten Geburtstag starb ihre Mutter. Kurz davor gab sie Helga ihr Geburtstagsgeschenk – eine Zwiebel. Helga hatte sich eine Zwiebel gewünscht, da sie diese gern aß. Diese Stelle ihrer Geschichte war besonders berührend für alle, denn was für uns heute normal, ja sogar selbstverständlich angesehen wird, war für Helga eine Sehnsucht, die wir so nicht nachempfinden konnten. Es war ein sehr emotionaler Augenblick, als Helga mit ihrer zerbrechlichen Stimme von ihrer wundervollen und herzensguten Mutter sprach. Es war ein Moment, der uns zum Nachdenken gebracht hat. Daraus haben wir gelernt, dass man für kleinste Dinge dankbar sein kann. Es ist nicht selbstverständlich, so zu leben, wie wir es heute tun.

Helga hatte niemanden mehr und wurde somit von einem Rabbiner, der sieben weitere Kinder zu sich aufnahm (insgesamt waren sie vier Mädchen und vier Jungen) adoptiert. Sie kamen alle aus anderen Regionen oder Ländern. Es war daher nicht immer einfach sich zu verständigen. Nach einiger Zeit haben sie wie eine richtige Familie zusammengelebt.

Doch dann wurden die vier Mädchen von den vier Jungen getrennt. Alle vier Jungen wurden getötet und die Mädchen mit dem letzten Transport nach Auschwitz deportiert. Kurze Zeit später mussten sie zu einem Camp gehen, wo ihnen die Haare abrasiert wurden und sie sich komplett nackt ausziehen mussten. Sie bekamen die Kleidung von den toten Menschen aus dem KZ. Helga beschreibt diese Situation als sehr traumatisches Erlebnis.

Anschließend wurden sie nach Neuengamme geschickt und mussten hart arbeiten. Sie haben bei kleinsten Unruhen eine Pistole an den Kopf gehalten bekommen. Wenn ein Häftling aus der Reihe tanzte, wurde er ohne Gnade getötet. Das Essen war nicht ausreichend und das Wasser nicht sauber. Nach einiger Zeit wurden die vier Mädchen nach Bergen-Belsen transportiert. Die vier Mädchen hielten immer zusammen.

Dann kam der Tag, an dem der Krieg vorbei war. Sie wurden von der russischen Armee aus dem KZ befreit. Helga war zu dem Zeitpunkt sehr schwach. Sie erzählte uns weiter, sie habe nicht richtig mitbekommen, dass der Krieg endete. Sie war körperlich zu schwach. Alle Menschen aus diesem KZ wurden zur Behandlung mit einem Schiff nach Schweden gebracht. Dort kam sie sofort in ein Krankenhaus. Es stellte sich heraus, dass sieTuberkulose hatte.

In Schweden wurde sie von einer Familie adoptiert, in der sie sehr glücklich war. Drei Jahre später meldete sich ihre leibliche Tante aus Amerika. Sie wünschte sich, dass Helga zu ihr nach Amerika zieht. Helga konnte sich ein neues Leben in Amerika aufbauen. Sie ist dort zur Schule gegangen und später arbeiten. Seitdem lebt sie in Florida und hat vier Kinder.

Ihren Kindern wollte sie ungern von ihrer schweren Vergangenheit erzählen, doch sie tat dies. Zwei von ihren Kindern waren bei dem Interview anwesend (Lisa und David Melmed). Ihre Kinder sind sehr froh darüber, dass Helga sich ihnen anvertraut hat. Sie sagten, dass sie Angst hatten, nach Deutschland zu kommen, Helga jedoch nicht, sie habe auch gute Erinnerungen an Deutschland – vor allem Berlin.

Nach dem Zeitzeugengespräch, waren wir begeistert davon, was für eine starke Frau Helga ist. Sie hat enorm viel in ihrem Leben durchgemacht. Wir sind sehr dankbar dafür, dass sie ihre Geschichte mit uns geteilt hat.

Celine und Rohda, Klasse 11b

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